Vor Spitzentreffen zum Wehrdienst: Wehrbeauftragter mahnt Koalition zur Eile
Im Streit um den Wehrdienst sucht Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwochabend mit Vertretern aus dem Bundestag einen Kompromiss. An dem Treffen sollen nach AFP-Informationen die Fraktionschefs von Union und SPD, Jens Spahn (CDU) und Matthias Miersch (SPD), sowie mehrere Fachpolitiker teilnehmen. Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte (CDU), mahnte die Regierungskoalition zur Eile.
Pistorius setzt in seinem Gesetzentwurf zum neuen Wehrdienst zunächst auf Freiwilligkeit, um Rekruten für die Bundeswehr zu gewinnen. Die Union hatte einen Automatismus in Richtung einer Wehrpflicht verlangt, wenn sich nicht genügend Freiwillige melden.
Fachpolitiker von CDU/CSU und SPD im Bundestag hatten deshalb Mitte Oktober einen Kompromissvorschlag ausgearbeitet. Demnach sollte ein Losverfahren bestimmen, wer zur verpflichtenden Musterung muss. Finden sich dabei nicht genügend Freiwillige, sollten gemäß dem Bedarf der Bundeswehr per weiterem Losverfahren ausgewählte Männer zum Wehrdienst verpflichtet werden.
Minister Pistorius hatte dies abgelehnt und eine offizielle Verkündung der Vereinbarung durch die Parlamentsvertreter gestoppt. Sein Gesetzesvorhaben sieht vor, dass ab Mitte 2027 gesamte Jahrgänge von 18-Jährigen gemustert werden sollten. Einen Zwang zum Dienst soll es aber nicht geben.
Seit Wochen verhandeln die Beteiligten nun über einen neuen Kompromiss. Pistorius sowie Spitzenvertreter von Union und SPD im Bundestag zeigten sich zuletzt zuversichtlich, dass dies bis Ende der Woche gelingen werde.
Das Treffen mit dem Minister soll dem Vernehmen nach nach der Bundestagsdebatte anlässlich des 70. Jahrestags der Gründung der Bundeswehr stattfinden. Sie endet gegen 18.30 Uhr. Teilnehmer der Runde sind nach Angaben aus Fraktionskreisen auch die Fachpolitiker Norbert Röttgen (CDU), Siemtje Möller und Falko Droßmann (beide SPD) sowie Thomas Erndl (CSU).
CSU-Chef Markus Söder meldete sich vor dem Treffen über den Online-Dienst X mit der Forderung nach der Rückkehr zur Wehrpflicht zu Wort: "In Zeiten wachsender Bedrohungen brauchen wir wieder mehr Einsatz für unser Land", schrieb er. "An einer Rückkehr zur Wehrpflicht führt kein Weg vorbei - Freiwilligkeit allein reicht nicht mehr aus."
"Die Erwartungshaltung in der Truppe und der gesamten Gesellschaft ist groß", mahnte der Wehrbeauftragte Otte der "Rheinischen Post" vom Mittwoch. Eine Einigung spätestens im Koalitionsausschuss am Donnerstag halte er für zwingend notwendig. "Mehr Zeit sollte nicht verstreichen, damit das Gesetz Anfang Dezember vom Bundestag verabschiedet werden kann."
Otte warb gleichzeitig für einen positiven Umgang mit der geplanten Musterung. Ähnlich wie in Schweden sollte diese auch in Deutschland als Service angeboten werden, "quasi als kostenfreier staatlicher Fitnesstest", sagte er der "Rheinischen Post". "Denn die körperliche Untersuchung kann auch durchaus ein Beitrag zur öffentlichen Gesundheitsfürsorge sein".
Angesichts der Bedrohung durch Russland und neuer Nato-Vorgaben für Truppenstärken muss Deutschland das Personal der Bundeswehr in den kommenden Jahren deutlich aufstocken. Pistorius plant eine Erhöhung von derzeit 182.000 auf rund 260.000 aktive Soldatinnen und Soldaten. Hinzukommen sollen 200.000 Reservistinnen und Reservisten.
L.Bisset--MJ